Sie sind hier

29. Juli 2019

Mobility as a Service: Wer führt die Mobilitätsangebote zusammen?

57% aller Wege in Deutschland werden mit dem Auto zurückgelegt [1]. Den Pkw-Bestand und die Pkw-Nutzung zu reduzieren, bleibt ein vordringliches Ziel der nationalen und kommunalen Verkehrspolitik. Für die Besitzer*innen eines Pkw sind die Alternativen zum eigenen Auto jedoch oft abschreckend komplex. Das gilt für den Öffentlichen Personennahverkehr allein - es gilt zumal für die Verbindung von ÖPNV und weiteren Mobilitätsdiensten wie Car- und Bikesharing. Hier zu vereinfachen, ist das Ziel des Konzepts „Mobility as a Service (MaaS)“.

Der internationale Dachverband der Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs UITP, dessen Mitglied auch der Bundesverband CarSharing e.V. ist, definiert Mobility as a Service folgendermaßen:

Mobility as a Service (MaaS) ist die Integration von und der Zugang zu verschiedenen Mobilitätsdienstleistungen (wie ÖPNV, Ridesharing, Carsharing, Bikesharing, Scootersharing, Taxi, Autovermietung usw.) in einem einzigen, digitalen Mobilitätsangebot, dessen Basis aktive Modi und ein effizienter Öffentlicher Nahverkehr sind. Der maßgeschneiderte Service schlägt jeweils die beste Mobilitätslösung basierend auf den Bedürfnissen des Nutzers vor. MaaS ist jederzeit verfügbar und bietet in integrierter Form Planung, Buchung, Bezahlung und Echtzeit-Informationen an, um ein Leben ohne eigenes Auto zu ermöglichen.

Wie kann MaaS die Kommunen voranbringen?

Aus kommunaler Perspektive ist entscheidend, dass MaaS-Systeme zu einer Verringerung der Belastungen durch den privaten Pkw-Verkehr beitragen sollen. Die heutigen Beispiele für MaaS-Systeme sind von diesem verkehrspolitischen Ziel jedoch noch weit entfernt. Eine stichprobenartige Erhebung des Bundesverband CarSharing e.V. hat gezeigt, dass Kund*innen existierender MaaS-Services, die auch zum CarSharing angemeldet waren, nur 0,1 bis 0,5 CarSharing-Fahrten pro Monat und Kund*in durchführten. Diese Zahlen liegen weit unter dem Durchschnitt im übrigen CarSharing. Pkw-affine Zielgruppen wurden demnach durch die MaaS-Systeme kaum erreicht. Weitere Experimente sind deshalb erforderlich: Mit welchen Ansätzen kann MaaS tatsächlich eine attraktive Alternative zum Autobesitz für eine nennenswerte Anzahl von Neukund*innen werden? Diese Frage müssen die Partner des Umweltverbunds erst noch beantworten.

MaaS - eine Frage des Vertrauens

Eine wesentliche Aufgabe bei der Etablierung von MaaS-Systemen ist die Zusammenführung von Daten der einzelnen Mobilitätsdienste in einem gemeinsamen Datenspeicher. Das Problem dabei: Einige der benötigten Daten repräsentieren zugleich die Geschäftsmodelle und Geschäftsgeheimnisse der einzelnen Mobilitätsanbieter.

Für einen stationsbasierten CarSharing-Anbieter ist es beispielsweise kein Problem, die Position seiner CarSharing-Stationen und die dort verfügbaren Fahrzeugklassen an Dritte weiterzugeben. Anders verhält es sich jedoch mit der Zahl der Fahrzeuge und deren aktueller Verfügbarkeit. Anhand der letztgenannten Daten können nämlich Wettbewerber die Buchungslage und die Kundennachfrage an den Stationen ermitteln. Diese Daten sind daher unmittelbar wettbewerbsrelevant.

Im zunehmend umkämpften Mobilitätsmarkt kann ein von der Auskunft bis zur Abrechnung voll integriertes MaaS-System ein erhebliches strategisches Risiko für den einzelnen Mobilitätsdienst darstellen. Das gilt besonders dann, wenn der MaaS-Integrator zugleich ein Konkurrent im Wettbewerb ist oder werden könnte. Aus diesem Grund ist es für die Entwicklung von MaaS-Systemen entscheidend, dass der Integrator eine übergeordnete, wettbewerbsneutrale Position einnimmt.

Der Bundesverband CarSharing e.V. hat folgende Voraussetzungen identifiziert, die für eine umfassende Kooperation zwischen Mobilitätsanbietern und einem MaaS-Integrator entscheidend sind:

  1. Diskriminierungsfreiheit: Der MaaS-Integrator gewährt - im Rahmen der kommunalen verkehrspolitischen Ziele - allen Mobilitätsdiensten Zugang zu seiner Plattform und sorgt gegenüber dem Endnutzer für eine diskriminierungsfreie Beauskunftung.
  2. Wettbewerbsverzicht: Gegenüber seinen Partnern verzichtet der MaaS-Integrator darauf, gleichartige, konkurrierende Mobilitätsangebote selbst aufzubauen oder sich an solchen zu beteiligen.
  3. Geteilte Kundenbeziehung: Der MaaS-Integrator tritt gegenüber seinen Kunden als Vermittler auf, Nutzungsverträge werden auch zwischen Endkunden und Mobilitätsdiensten direkt geschlossen.
  4. Verteilte Datenhoheit: Die Mobilitätsdienste stellen ihre Daten bereit, bleiben aber deren Eigentümer. Sie bestimmen über deren Verwendung und Weitergabe.
  5. Rückgabe der Nachfragedaten: Die Daten zur Mobilitäts-Nachfrage der Endkunden werden vom MaaS-Integrator an die jeweiligen Mobilitätsdienstleister zum Zweck der Angebots- und Geschäftsmodelloptimierung zurückgespielt.

MaaS – eine öffentliche Aufgabe

Kommunen können den Rahmen für die Entwicklung erfolgreicher MaaS-Services schaffen, indem sie dafür sorgen, dass die eingesetzten MaaS-Integratoren übergeordnete, wettbewerbsneutrale Instanzen der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur im oben beschriebenen Sinn sind. In der Regel werden Unternehmen des Öffentlichen Nahverkehrs und Verkehrsverbünde diese Rolle vor Ort übernehmen. Die Bundesregierung kann die Verantwortung der öffentlichen Hand aufzeigen, indem sie in § 8 PBefG festlegt, dass die Etablierung von MaaS-Systemen zwingender Bestandteil von Nahverkehrsplänen ist.

Download

PDF: Mobility as a Service: Chance für die Verkehrswende, Herausforderung für die Partner des Umweltverbunds; Januar 2019



[1] Zahlen nach MiD 2017